Über die finnische Sprache haben wir hier bei SLweb schon einige Male gesprochen.

Auf der Ressourcen Seite Finnisch lernen, haben wir etwa diverse interessante Websites gelistet, wo ihr diese Sprache lernen könnt.

In diesem Artikel können wir euch hingegen ein Interview präsentieren. Julia & Matthias sind aus Österreich und begeisterte Finnland-Fans. Seit einigen Jahren fahren sie regelmäßig in das Land im Norden und befassen sich natürlich auch mit der Sprache.

Wie sie Finnisch lernen, die Schwierigkeiten dabei und ihre Erfolge, besprechen sie hier im Interview mit SLweb.

Falls ihr noch mehr über die Finnland-Abenteuer der beiden erfahren wollt, dann lohnt sich ein Besuch auf dem Blog von Julia & Matthias: Finndividualist.eu

Helsinki, Finnland

Helsinki, Finnland © finndividualist.eu

 

Was hat euch dazu veranlasst, das erste Mal nach Finnland zu reisen?

Wir haben Nordeuropa immer schon geliebt und hatten in den Jahren vor Finnland bereits Schweden, Dänemark und das Baltikum bereist. Für den Sommer 2011 hatten wir eigentlich etwas anderes geplant – und doch befiel uns wieder die Sehnsucht nach dem Norden. Unsere Wahl fiel also auf Finnland. Dort haben wir binnen kürzester Zeit Feuer für dieses Land gefangen und seitdem sind wir durchschnittlich zwei Mal im Jahr in Finnland.

Habt ihr euch, die Sprache Finnisch betreffend, auf eure erste Reise vorbereitet?

Unser erster Finnisch-Kurs war ein Crashkurs an einer Volkshochschule. Uns war natürlich klar, dass Finnisch eine sehr schwierige Sprache ist, und dass wir uns nicht gleich auf Finnisch verständigen können würden.

Uns ging es (wie bei allen unseren Reisen) mehr darum, zumindest die wichtigsten Wendungen (begrüßen, sich bedanken, die Rechnung verlangen etc.) zu beherrschen. Wir möchten einfach nicht die typischen Touristen sein, die die Leute gleich auf Englisch oder Deutsch ansprechen. Wenn man sich ein bisschen bemüht, sich auf die Landessprache einzulassen, kommt man auf ganz andere Art mit den Menschen in Kontakt.

Würdet ihr anderen einen Crashkurs wie ihr ihn gemacht habt auch empfehlen? Habt ihr wirklich das gelernt, was ihr gebraucht habt?

Für uns war der Crashkurs genau richtig, um einen ersten Einblick in die Sprache zu bekommen. Wir konnten z. B. in Speisekarten oder auf Anzeigetafeln erste Vokabeln wiedererkennen und auf ein paar einfache Wendungen zurückgreifen. Und es war einfach interessant – wir würden es also jedem empfehlen!

Das Schwierige an Finnisch ist aber, dass man nicht mal eben – wie z. B. bei Englisch – einfach drauflos-radebrechen kann. Denn ohne Grammatik geht bei Finnisch gar nichts. Deshalb waren wir nach dem Crashkurs weit davon entfernt, uns wirklich auf Finnisch verständigen zu können.

Tipp Zum Finnisch Crashkurs von Matthias

Ihr hattet also einige Grundlagen oder zumindest Sätze für diverse Situationen bereit. Hat man euch gut verstanden?

Unterschiedlich. Wenn nicht, dann lag’s vermutlich an unserer Aussprache … Die ist zwar prinzipiell nicht schwer, aber der Rhythmus und die Sprachmelodie sind tricky. Zum Beispiel ist die Betonung immer auf der ersten Silbe. Und die Aussprache der Vokale und Doppelvokale bzw. Konsonanten und Doppelkonsonanten muss sich deutlich unterscheiden! Für Deutsch-Muttersprachler ist das sehr ungewohnt, und für Österreicher vielleicht noch mehr – wir kommen beide aus Wien bzw. Ostösterreich und haben ein sehr „weiches“ Deutsch.

Tipp Wie schwierig ist Finnisch?

Wie lief die Verständigung sonst ab? Sprechen die Leute in Finnland gut Englisch? Oder gibt es sogar Deutschsprecher?

Viele Finnen, besonders die jungen, können sehr gut Englisch. Deshalb kommt man in den größeren Städten und generell den touristischeren Gegenden (z. B. Lappland) damit sehr gut durch. Wie es mit Deutsch aussieht, können wir nicht so gut beurteilen (wir nutzen unterwegs eher Englisch als Deutsch), aber z. B. in Hotels oder Tourismusbüros trifft man immer wieder auf Angestellte, die auch Deutsch können.

Ansonsten gilt dasselbe wie überall sonst: Je weiter man sich von den ausgetretenen Pfaden entfernt, desto wichtiger wird die Landessprache.
Letztes Jahr z. B. waren wir in Naantali, einer Kleinstadt an der Westküste, die im Sommer von vielen einheimischen und internationalen Touristen besucht wird. Die Stadt ist total nett, aber wir wollten nicht auf dem Riesen-Familien-Erlebnis-Campingplatz dort übernachten, sondern fragten im Tourismusbüro nach einem ruhigeren Plätzchen für unser Zelt. Man empfahl uns einen Campingplatz in den Schären, vielleicht 30 km entfernt. Dort trafen wir, zu unserer großen Überraschung, ausschließlich (!) Finnen an, die Besitzerin konnte, grob geschätzt, drei Wörter Englisch und sogar das Registrierungsformular gab’s nur auf Finnisch. So hatten wir das bisher noch nie erlebt – aber wir fanden’s cool 😉

Lappland, Finnland

Lappland, Finnland © finndividualist.eu

 

Wie ging es nach der ersten Reise für euch weiter? Wie habt ihr eure Sprachkenntnisse danach verbessert?

Nach der ersten Reise haben wir zunächst mit VHS-Kursen weitergelernt. Allerdings musste Julia das Finnischlernen wegen eines Auslandsaufenthalts ein Jahr lang unterbrechen, Matthias besuchte in der Zeit noch einen Semesterkurs. Es folgte eine lange Pause, weil wir nicht so recht wussten, wie wir weitermachen sollten. Wir waren ja nun auf unterschiedlichen Levels, hatten das Land schon mehrmals bereist und dadurch schon mehr aufgeschnappt als der durchschnittliche VHS-Kursteilnehmer. Deswegen ging uns in den VHS-Kursen alles immer etwas zu langsam.

Im Herbst 2014 haben wir uns schließlich entschlossen, Privatunterricht zu zweit zu nehmen. Das war eine gute Entscheidung, weil wir in unserem Tempo und auf unserem Niveau arbeiten können und genau das lernen, was wir wollen. Momentan treffen wir uns alle zwei Wochen für zwei Stunden mit unserer Lehrerin. Das Problem ist aber die zusätzliche Zeit, die wir ins Wiederholen und Weiterarbeiten stecken müssten – das ist neben unseren Jobs oft schwer zu bewerkstelligen.

Habt ihr eure weiteren Finnlandbesuche genutzt, um die Finnischkenntnisse aktiv zu nutzen?

Ja, das versuchen wir immer. Den einen oder anderen Restaurantbesuch haben wir schon „nur mit Finnisch“ bewältigt, und auch andere, vorhersehbare Situationen wie z. B. Ticketkäufe im Museum funktionieren schon ganz gut.

Wie würdet ihr eure Fähigkeiten heute einschätzen? Könnt ihr euch auf Finnisch unterhalten?

Wir sind jetzt in einer Phase, in der wir schon sehr viel über Finnisch wissen und viele Texte und deutlich gesprochenes Finnisch ganz gut verstehen. Nicht immer wortwörtlich, aber dann zumindest sinnerfassend.

Aber auch wenn wir manche Situationen unterwegs schon ganz gut bewältigen, müssen wir den Sprung vom „Wissen“ und „Verständigen“ zum wirklichen „Können“ und „Sich unterhalten“ erst schaffen. Das ist bei dieser Sprache leider schwierig und erfordert sehr viel Übung. Und wir sind nicht die Typen, denen es leicht fällt, irgendwas draufloszuquatschen … „Weniger denken, mehr reden“ wäre im Moment wohl das Beste für uns.

Naantali, Finnland

Naantali, Finnland © finndividualist.eu

 

Was würdet ihr jemandem raten, der Finnisch lernen möchte? Welche Methode brachte euch weiter?

Das ist schwer zu beantworten, weil wir die ideale Methode (so es sie gibt) selbst noch suchen. Man sollte jedenfalls wissen, welcher Lerntyp man ist, denn am Vokabel- und Grammatiklernen führt kein Weg vorbei und kein Unterricht kann das Lernen ersetzen. Umgekehrt sollte man auf Unterricht – egal in welcher Form und idealerweise bei einem Native Speaker – nicht komplett verzichten. Denn die Sprache ist in vielen Lehrbüchern nicht realitätsnah und man läuft außerdem Gefahr, sich etwa die Aussprache falsch anzugewöhnen.

Kurz gesagt: Für Finnisch braucht man viel „sisu“ – das ist ein wichtiges finnisches Wort, das man mit „Hartnäckigkeit“ oder „Durchhaltevermögen“ übersetzen kann. Was aber nicht heißt, dass man sich abschrecken lassen sollte. Denn wenn man das System einmal durchschaut hat, ist Finnisch eine sehr logische und schöne Sprache, die echt Spaß macht!

Zum Abschluss noch diese Frage. Ihr macht zwei Mal pro Jahr in Finnland Urlaub… Denkt ihr auch ans Auswandern?

Wir schließen diese Möglichkeit nicht aus 😉

Vielen Dank für die Beantwortung der vielen Fragen und weiterhin viel Erfolg beim Finnisch lernen! 🙂

Julia & Matthias haben auf ihrem Blog außerdem eine Linkliste mit allen möglichen Infos über Finnland und auch die Sprache. Zur Linkliste

Suomenlinna, Finnland

Suomenlinna, Finnland © finndividualist.eu

 

Fazit

Von den Erfahrungen von Lernenden zu lesen ist natürlich immer sehr interessant. Hier sind einige Punkte, die ihr aus diesem Interview ziehen könnt:

  • Ein Finnisch Crashkurs kann euch die nötigen Grundlagen verschaffen, um darauf aufbauen zu können. Hilft außerdem bereits im ersten Urlaub.
  • Die Einheimischen schätzen es, wenn ihr euch als Touristen bemüht und wenigsten einige Wörter drauf habt.
  • Als Tourist kann man sich auch mit Englisch in Finnland durchschlagen.
  • Mit Privatunterricht könnt ihr sehr gezielt lernen, egal auf welchem Niveau ihr seid.
  • Nutzt Restaurantbesuche, Museen und andere Möglichkeiten, um eure Kenntnisse zu testen.
  • Finnisch ist schwierig, aber dafür sehr logisch. Lernt die Regeln und Erfolg ist möglich.
Schreibt einen Kommentar, falls ihr noch Fragen oder Anregungen für Julia & Matthias habt.